Wird man nun ab 40 eher jünger oder älter?

Hermann Hesse schreibt: „Mit der Reife wird man immer jünger.Es geht auch mir so … da ich das Lebensgefühl meiner Knabenjahre im Grund stets beibehalten habe und men Erwachsensein und Altern imer als eine Art Komödie empfand.“ *Der norwegische Autor Karl-Ove Knausgard schreibt über sein Lebensgefühl mit 16 im Vergleich zu seinem heutigen mit 40: „Damals lag das Leben noch vor mir. Alles war möglich. So war es heute nicht mehr. Vieles war geschehen, und was geschehen war, schuf die Prämissen für das, was noch geschehen würde. Es gab nicht nur weniger Möglichkeiten, auch die Gefühle, mit denen ich sie erlebte, waren schwächer, das Leben weniger intensiv geworden.“ *

Ich fühle mich zwischen diesen Polen. Manchmal entzückt mich das Leben in der gleichen Intensitität wie mit 18. Aber häufiger sitze ich auch da und denke: Und wie jetzt weiter? Die Kinder sind da, ein netter Mann gefunden, ein paar Bücher geschrieben. Alle Ziele erreicht. Und so richtig neue sind nicht in in Sicht, in die ich meine Energie, Vorfreude und sowas stecken möchte. Und überhaupt, neben den „großen Dingen“ (Partner, Kind, Beruf) wirken die möglichen neuen Ziele (Zeichnen lernen, Weiterbildung als Trainerin, mal wieder wandern gehen) so klein.

Außerdem: Braucht man überhaupt immer Ziele, um zufrieden zu sein? Entsteht Glück aus dem Streben nach einem Ziel, das erreichbar, aber eben noch nicht da ist? Sozusagen als Belohnung für Anstrengung und dem Gefühl „es zu schaffen“?

Ist mein Fehler nicht vielleicht einfach, dass ich es im Moment nur selten schaffe, mich schlicht an dem zu freuen, was da ist (Kinder werden größer, Jobs sind interessant, Freundschaften wachsen)? Aber wie macht man das eigentlich? Wie entsteht ein intensives Lebensgefühl, wenn das Leben gerade dahinplätschert?

Irgendwie hat sich meine Art zu leben, bis 40 bewährt und jetzt scheint sie mir überholt. iUnd was nun?

Beim Grübeln über diese Frage habe ich natürlich auch in mein eigenes Buch „Jung Alt Werden“ geschaut. Da steht, dass so eine Krise normal ist. Dass es darum geht, in mir den „tanzenden Stern“ zu entdecken, also die Facette meiner Selbst, meiner Persönlichkeit, die noch entwickelt werden möchte. Denn letztlich speist sich daraus Lebensfreude. Klingt gut. Aber grad fällt mir nix ein – und die Zeit des „Nichts“ finde ich nicht angenehm.

Tröstlich fand ich nur den Tipp, den ich bei der Autorin Carola Wolff fand (www.carolawolff.de): Sich selbst und vor allem die kreisenden Gedanken nicht zuuuu ernst nehmen.

Vielleicht sollte ich darauf vertrauen, dass sich der nächste tanzende Stern ganz alleine zeigt. Ohne viel aktives Suchen. Vielleicht ist genau das meine Aufgabe für mein Leben ab Mitte 40: Vertrauen ins Leben zu lernen.

Was denken Sie/Du darüber?

Herzliche Grüße. Carola Kleinschmidt

Quellen der Zitate:
„Mit der Reife wird man immer jünger: Betrachtungen und Gedichte über das Alter“, von Volker Michels, Hermann Hesse und Martin Hesse, Suhrkamp
„Lieben“ von Karl-Ove Knausgard, Luchterhand

5 Responses to Wird man nun ab 40 eher jünger oder älter?

  1. Jürgen Clausen sagt:

    Gewohnheiten durchbrechen, neue Aufgaben übernehmen, neue Fähigkeiten erwerben – das sind so meine Methoden, meine Welt neu zu gestalten und dadurch auch mein Gefühlsleben zu erneuern.
    Mein Alter (Lebenserfahrung, Reflexionen) lässt mich über vielem stehen, worüber manch anderer sich aufregt. Meine „Innenwahrnehmung“ ist seit vielen Jahren dem Gefühl ähnlich, das ich als sehr kleines Kind der Welt gegenüber hatte.
    Mein Körper ist nicht mehr so flexibel wie noch vor kurzem, ich habe oft Schmerzen. aber ich habe keine Angst vor dem Tod, da ich weiß, diese Realität, in der wir zu leben glauben, ist eine Selbst-Täuschung. Es gibt keinen Anfang und es gibt kein Ende. Das ist bei mir kein angelesenes Wissen, das würde mir auch nichts nützen: ich habe mir Wissen über die Welt und über mich erarbeitet, das alles das sprengt, was man beschreiben könnte. Aber die Frage ist: inwieweit beeinflusst dies meine Entscheidungen im täglichen Leben? Inwieweit beruhigt das meine Gefühlswelt? Inwieweit lässt es mich schicksalhafte Fragen klarer sehen?

    Jeder Mensch ist gehalten zu planen, auch ältere Menschen. Aber was soll ich denn planen? Wofür soll ich mich entscheiden? Soll ich so planen, als würde ich noch 30 Jahre leben? Oder so, als wäre mein Leben in wenigen Tagen beendet? Ich weiß es nicht. Beides klingt richtig, und in der Vergangenheit haben mir meine Überlegungen zur Lebensplanung nicht viel gebracht. Es ist fast alles anders gekommen als ich es gewollt habe. Sogar in meinen neuen Beruf bin ich einfach so hinein geschlittert, es hat sich ergeben. Meine Ambitionen waren entscheidend, und meine Mentalität. ich werde kreativ mit mir und meinem Leben umgehen. Und hoffentlich sanft.

    – mit besten Grüßen und Wünschen, Jürgen Clausen

    • Hallo Jürgen Clausen,

      vielen Dank für Ihre Gedanken! Schon das „Gewohnheiten durchbrechen“ hat mich gleich angesprochen. Da bin ich nämlich noch gar nicht drauf gekommen, dass die vielen Routinen & Gewohnheiten (nicht nur im Tun, sondern auch im Reagieren auf etwas) auch mein Gefühl auslösen „da tut sich nicht viel“. Auf der anderen Seite funktioniert natürlich „es machen wie gewohnt“ ziemlich gut. Ich werde mal nachdenken, welche Gewohnheit ich mal einfach lassen und was anders machen könnte. Ich berichte Ihnen. Danke auf jeden Fall für den Tipp!
      Sie sprachen auch das Planen an. Für mich fühlt es sich besser an, wenn ich so etwas wie eine Richtung habe. Und nicht anderes ist ein Plan für mich. Am Ende kommt ja eh alles anders als man denkt (als ich Biologie studierte, wollte ich Biologin werden – jetzt bin ich Journalistin; zeitweise träumte ich von einem Leben in Frankreich. Jetzt wohne ich in Hamburg). Für mich war es mit den Plänen meist so: Sie geben eine Richtung vor, in die ich gehe (Biologie-Studium, Auslandsreise etc.) und im Gehen begegnen mir Abzweigungen, die dann wirklich bedeutsam sind – und ich ändere meinen Weg. Und so geht es immer weiter. Insofern habe ich auch heute Pläne, aber wohin sie mich führen werden, kann ich gar nicht sagen. Ist auch nicht wichtig.
      Vielleicht ist ja auch das eine der Illusionen des modernen Menschen: Dass man mit Plänen sein Leben beherrschen könnte – und dass es ein Zeichen ist, dass etwas schief lief, wenn die Pläne nicht in Erfüllung gehen.
      Sie sagen, Ihre Innenwahrnehmung ist eher so, wie sie sie als kleines Kind hatten. Wie haben Sie all die Mauern, die Erwachsene typischer weise zwischen sich und der Welt aufbauen, abgelegt?
      Das mit der Sanftheit, die Sie erwähnen, entdecke ich nämlich gerade erst jetzt …

      Herzliche Grüße und beste Wünsche.
      Carola Kleinschmidt

      • Jürgen Clausen sagt:

        Hallo Frau Kleinschmidt,
        ich muss sagen, ich habe gewisse Hemmungen, öffentlich über diese Dinge zu sprechen. Damit habe ich schlechte Erfahrungen gemacht. Wir haben uns ja bereits per mail ausgetauscht, ich schau mal nach Ihrer Mail-Adresse und schreibe Ihnen direkt. Bis dahin alles Gute, Jürgen Clausen

      • ckleinschmidt sagt:

        Lieber Herr Clausen,

        entschuldigen Sie, ich habe Ihre Antwort auf meine Frage gerade erst gesehen. kann ich auch gut verstehen, dass Sie öffentlich nicht antworten möchten. Ist ja nie privat, so ein Blog … Meine Mail ist: Kontakt@carolakleinschmidt.de. Ich freue mich sehr, wenn ich von Ihnen höre.

        Mit herzlichem Gruß. Carola Kleinschmidt

  2. Vielen Dank für den tollen Artikel.

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